Residenz bei GlogauAIR: „Wir können alle voneinander lernen“

Seit April 2025 ist der Meisterschüler Martin Winkler (Kunsthochschule Kassel) für drei Monate Teil des Residenz-Programms bei GlogauAIR in Berlin – einer gemeinnützigen Künstlerplattform, gegründet 2006 von der Künstlerin Chema Alvargonzalez, die internationale Künstler*innen zusammenbringt, um ihre Projekte in Kreuzberg weiterzuentwickeln.

Für viele Künstler*innen sind Residenzen essenziell, um für eine Zeit ihren Alltag zu unterbrechen und sich auf die eigene künstlerische Arbeit zu konzentrieren. Institutionen wie Galerien, Kunstvereine, Museen oder Hochschulen bieten unterschiedliche Residenz-Formate für Künstler*innen an. Diese können Solitäre oder Teil eines Gesamtkonzeptes sein, die in der Regel ausgeschrieben werden. Die Ausschreibung kann an ein Thema gekoppelt oder frei wählbar sein. In manchen Fällen werden Kunstschaffende direkt eingeladen oder vorgeschlagen. Die Bewerbungsvoraussetzungen sind unterschiedlich.

Die Bandbreite der Förderleistungen variiert. Beispielsweise ermöglicht das GlogauAIR-Programm Martin Winkler Unabhängigkeit und Flexibilität. Neben einem privaten Wohnatelier, wo er seine kreative Arbeit temporär an einem anderen Ort ausübt, wird er zugleich kuratorisch und technisch umfassend betreut: „Dazu zählen regelmäßige Einzelgespräche, gemeinsame Ausstellungsbesuche mit den anderen Künstler*innen und Networking-Möglichkeiten. „Ich nehme an organisierten Workshops, Künstlergesprächen und Open Studios teil, was meiner Arbeit positive Impulse gibt“, erklärt Winkler. Besonders durch das „Project Space“, wo Präsentationen, Performances und Workshops realisiert werden, wird den Künstler*innen der Zugang zu Netzwerken ermöglicht und der Austausch zwischen der lokalen Kunstszene gefördert. Dazu der Bildende Künstler: „Durch die internationale Ausrichtung von GlogauAIR tausche ich mich mit anderen Künstler*innen aus Australien, China, den USA und Europa aus. Durch den Austausch von Expertise und persönlichen Erfahrungen profitieren wir alle voneinander.“ Er erklärt weiter: „Der Mix aus individueller Projektarbeit, gemeinsamen Ausstellungsbesuchen und Workshoparbeit schafft eine ideale Atmosphäre und fördert gleichzeitig den interkulturellen Dialog zwischen allen Beteiligten.“

Den Alltag und die Atmosphäre im Kunstraum GlogauAIR beschreibt Winkler so: „Es herrscht ein lockeres, kollegiales Miteinander. Die Stimmung erinnert ein bisschen an eine kreative Klassenfahrt – man trifft sich im Garten, kocht gemeinsam, teilt Arbeitsmaterialien, Ideen und Sorgen. Gerade diese Mischung aus Professionalität und Spontaneität macht den Aufenthalt hier so besonders.“

Aktuell entwickelt der Künstler eine groß angelegte Installation. Im Mittelpunkt steht ein lebensgroßer Hengst, der mit Zähnen überzogen ist. Umgeben von bemalten Stoffbahnen in kräftigen Farben und lose aufgehängt erinnert die Arbeit an „La Fée Electricité“ von Raoul Dufy. Zum Thema seiner Arbeit erklärt der Künstler: „Ich befasse mich mit queerer Erinnerungskultur und den Übergängen zwischen Kindheit und Erwachsensein sowie den Momenten der Grenzauflösung zwischen Tier und Mensch.“ Die Öffentlichkeit hat die Möglichkeit, das Residenz-Projekt des Künstlers vom 13. bis 14. Juni 2025 in Kreuzberg zu sehen.

Martin Winkler (geb. 1992, Halle/Saale) studierte bis Sommer 2024 Bildende Kunst an der Kunsthochschule Kassel. Direkt nach seinem Studienabschluss setzte er sein Studium als Meisterschüler von Prof. Schmidt (Bildende Kunst, Kunsthochschule Kassel) fort. In seinen Arbeiten erforscht der Bildende Künstler Queerness, Geschichte und Popkultur durch Malerei und Installation. Basierend auf seinen Recherchen rekontextualisiert er übersehene Erzählungen mit Humor und Symbolik. Inspiriert von historischen Bildern und Medien laden seine Werke zum Nachdenken über Identität, Trauma und Widerstandsfähigkeit ein. Als Meisterschüler möchte er in seiner Arbeit an die unaufgeklärte Logik der Kindheit anknüpfen: „Wie man Farben und Formate euphorisch begegnet und sich das Visuelle und das Empfinden erklärt. Gleichzeitig möchte ich in meiner Arbeit im Bereich der Malerei und Installation dunklere Untertöne aufgreifen, die Ekel oder Angst hervorrufen können“, so Winkler.

Nach seinem Aufenthalt bei GlogauAIR möchte er sich für weitere Residencies in Europa und Nordamerika bewerben, um sein Thema „Queere Geschichtskultur“ weiterzuentwickeln und interdisziplinär zu verknüpfen. „Für die eigene künstlerische Entwicklung und vor allem für die Zeit nach dem Studium ist eine Residency ein perfektes Format, um voranzukommen. Ich recherchiere wöchentlich mindestens zwei Stunden, um passende Ausschreibungen zu finden, sodass ich bis zu 15 Bewerbungen im Umlauf habe“, erklärt Winkler als Anregung für Residency-Interessierte.   

(Text: Çiğdem Özdemir)

Informationen zu Martin Winkler:
martinwinkler.org

Informationen zu den Fördermöglichkeiten bei GlogauAIR Berlin:
www.glogauair.net

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